Funker an Bord

Otto Prieß:
Von der Brieftaube zur Funkenpüsterei
Um die 172jährige Geschichte bemannter deutscher Feuerschiffe authentisch niederzuschreiben, bedarf es vieler Quellen und Zeitzeugen. Sicher sind zahlreiche Autoren für ihre Publikationen über Feuerschiffe in maritimen Archiven fündig geworden und haben das mühsam Aufgestöberte der Nachwelt vermittelt. Man darf davon ausgehen, dass dies dann dokumentarisch einwandfrei ist, auch wenn es manchmal unglaubwürdig erscheint.

In seinem Buch “Feuerschiffe” schildert Eigel Wiese wie auf Feuerschiffen in der Eider-Mündung Nachrichten übermittelt wurden als die Schiffe noch keine Funkeinrichtungen hatten. Dass dies in bestimmten Fällen mit der Schiffsglocke, einem Druckluftton oder einer Signalkanone erfolgte, ist glaubhaft überliefert. In Erzählungen früherer Füerschipper führte die erwähnte Kanone bei den Landratten oft zu der Annahme, dass Feuerschiffe gut gerüstete wehrhafte Fahrzeuge waren, die sich mit ihren Kanonen gegebenenfalls Überfällen von Seeräubern erwehren konnten. Seeräuber gab es (und gibt es noch heute). Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Füerschippern dürften wohl nur im Seemannsgarn vorkommen. Wenn im Ersten Weltkrieg 1914-18 auf ELBE 1 (BÜRGERMEISTER O`SWALD I) eine Revolverkanone vorhanden war, so ist das auf den Einsatz als Kriegsfeuerschiff A der Kaiserlichen Marine zurückzuführen.

Wichtige Nachrichten von Bord der Eider- Feuerschiffe an ihre Behörde an Land wurden jedoch ab 1877 mit Brieftauben übermittelt. Zu dem Zweck hatten die Schiffe einen Taubenschlag an Bord, der bei jeder Routineablösung neu aufgefüllt wurde. Im Bedarfsfall wurde eine Brieftaube entnommen und an ihr eine Hülse mit der Nachricht befestigt . Dann ließ man das Tier fliegen. Für die 70 Kilometer vom Feuerschiff AUSSENEIDER bis zum Amt in Tönning brauchte eine Taube weniger als eine Stunde. Diese Nachrichtenübermittlung klappte auch bei Notrufen. Als am 15. Oktober 1881 bei Sturm die Ankerkette der AUSSENEIDER brach, forderte die Besatzung per Taube einen Schlepper an, der eintraf bevor das Schiff strandete. Auf die Tauben – und auf einige Versuche mit Kabelverbindungen zum Land, durch die man Morsesignale sendete – verzichtete man erst 1900 als sich die drahtlose Telegraphie von Marconi auf den Feuerschiffen durchzusetzten begann, was seine Zeit dauerte, denn die Schiffe bekamen durchweg erst nach dem Ersten Weltkrieg Einrichtungen zur Erzeugung von elektrischem Strom – Dieselaggregate und ausreichend große Akkus. Mit elektrischem Strom wurde damals gegenüber dem Petroleumlicht auch die Sichtweite der Leuchtfeuer und die Wirkungsweise der Luftschallsender verbessert.

Die fliegenden Boten hatten ausgedient. Die Funkenpüsterei begann.
An der Entwicklung des Seefunks waren die Elbe-Feuerschiffe und ihre Besatzungen maßgeblich beteiligt. Sie begann im April 1899 zunächst mit funkentelegraphischen Versuchen nach dem System Marconi zwischen dem Leuchtturm an der Alten Liebe und der Kugelbake und wurden im Juli/ August des gleichen Jahres mit dem Braun´schen System fortgesetzt durch Prof. J. Zenneck zwischen der Kugelbake und Neuwerk und anderen Leuchttürmen an der Unterelbe sowie im Dezember dem Feuerschiff ELBE 1, BÜRGERMEISTER KIRCHENPAUER. Bereits am 6.Juli 1901 wird auf diesem Schiff ein “Funken-Telegraphiegerät” eingebaut.
Zur gleichen Zeit richtet die AEG – Berlin in Duhnen eine Funkspruchstation mit zwei Masten nach dem System Slaby-Arco ein, die ab 1902 von der HAPAG für Funkverbindungen zu ihren Schiffen betrieben wird, die aber auf Intervention des damaligen Reichsmarineamtes bereits 1903 wieder eingestellt wurden. Vermutlich, weil die Marine am 1. April 1904 in Cuxhaven an der Alten Liebe eine Marinefunkenstation in Betrieb nimmt, und mit dieser der “öffentliche Seefunkdienst” beginnt, (der am 1. April 1912 durch die Reichspostverwaltung übernommen wurde). Die Inbetriebnahme der Funkstation auf dem Feuerschiff BÜRGERMEISTER KIRCHENPAUER der Station ELBE 1 erfolgt am 1. Februar 1904. Diese wird ab 15. November 1910 mit zwei Funkern besetzt. Um den Dienstbetrieb und die technischen Voraussetzungen zu gewährleisten, erfolgt so im Laufe der Jahre mit zunehmenden Aufgaben bis zum Ersten Weltkrieg zwangsläufig eine Verstärkung der ELBE 1 – Besatzung durch Funker und Motorenwärter. Die Funkbude an Bord war schon bald rund um die Uhr besetzt.

In den beiden Weltkriegen wurden die Friedenspositionen aus taktischen Gründen geändert, und die Schiffe zu Kriegsfeuerschiffen. Es kamen zusätzliche Besatzungsmitglieder an Bord. Marinesoldaten, die fremde Schiffe ausspähen und über Funk verschlüsselt an Land melden sollten. Erst im Dezember 1919 wurden auf dem Feuerschiff ELBE 1 BÜRGERMEISTER O`SWALD I zwei Funker der Kaiserlichen Marine entdeckt, die dort im Krieg stationiert waren und wohl einfach vergessen wurden. Sie wurden dann umgehend entlassen, nachdem ihre Namen in den Verpflegungslisten aufgefallen waren. Aus Mangel an Funkern wurde damals die Funkstation vorübergehend geschlossen.

Nach dem ersten Weltkrieg , nachdem die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen waren, zog die Funkerei auch auf den Feuerschiffen ELBE 2 und 3 ein. Allerdings waren diese Funkstationen nur zu bestimmten Uhrzeiten und im Wechsel zwischen den Schiffen mit sogenannten “Funkmaschinisten” besetzt. Diese besaßen ausreichende Funker- und Maschinistenpatente und hatten beide Dienstbereiche abzudecken. Erforderlichenfalls blieben die Geräte auf Empfang, so dass beim Ertönen des Schiffsrufzeichens ein ausgebildeter “Hörfunker” an Bord den Funkmaschinisten warschauen konnte.

Für ELBE 1 waren in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg drei Funker vorgesehen. Zwei im Seetörn. Sie hatten mit Wachzeiten die Funkstation rund um die Uhr zu besetzen. Der Dritte befand sich im Freitörn an Land. An Bord waren am 27. Oktober 1936, dem Unglückstag, die Funker Ernst Heuck (der eigentlich zusammen mit anderen Kollegen seinen Landtörn hätte antreten können, und vom Funker Karl Reinkens abgelöst werden sollte) und Albert Sawatzki. Letzterer hatte an diesem Tage Dienst im Funkraum.

Er setzte wie gewohnt Schiffsmeldungen ab und hörte die Funksprüche anderer Stationen. So erfuhr er auch von der schwierigen Situation des Feuerschiffes AUSSENJADE, das in dem schweren Orkan zu kentern drohte, durch den Bruch seiner Ankerkette, aber in letzter Sekunde davor bewahrt wurde. Dramatische Augenblicke auch für Kapitän Lösekann auf ELBE 1. Wenig später endet die Funkverbindung mit ELBE 1. Das Schiff kentert und nimmt 15 Besatzungsmitglieder mit in die Tiefe. Tagelange Bergungsversuche scheitern infolge des anhaltenden schweren Wetters.

Dieses Unglück sorgte an der Küste für große Bestürzung und Trauer und gab Fachkreisen große Rätsel auf. Die BÜRGERMEISTER O`SWALD I war 1911/12 im Auftrage der Deputation für Handel und Schifffahrt und Gewerbe des Hamburger Senats auf der Werft Nüscke & Co in Stettin nach den bisherigen Erkenntnissen und Erfordernissen speziell für die äußere Feuerschiffsstation vor der Elbe gebaut worden. Die Funk- und Signaleinrichtungen einschließlich der Optik des Leuchtfeuers im Turm und des Pressluft betriebenen Nebelsignals sowie der Unterwasser-Glockensignalanlage mit der für ihren Betrieb erforderliche Maschinenanlage entsprachen dem neusten Stand der damaligen Technik. Trotz der über der Wasserlinie vorhandenen großen Gewichte verfügte das Schiff aufgrund seiner Formen und eines guten Ballastsystems über eine ausreichende Stabilität. Aus Krängungsversuchen geht hervor, dass diese bis zu einer Neigung von 60° zunahm und das Schiff erst bei 89° kentern konnte. (Vorausgesetzt, dass alle Gewichte an Bord wie Trinkwasser und Brennstoffvorräte, Kartoffel -und Kohlevorräte an ihrem Platz waren, bzw. durch Trimm- oder Ballasttanks ausgeglichen wurden.) Unter diesen Voraussetzungen pendelte auch die ca. 5 Tonnen wiegende in 16 Metern Höhe im Turmmast kardanisch aufgehängte Laterne einwandfrei. Die aufgrund der Sende- und Empfangseinrichtungen für die Funkanlage sehr hohen Masten bewährten sich als Antennenträger auch bei schwerem Wetter sehr gut.

Nach diesem Unglück geht am 29. Oktober 1936 bereits das Reserve- Feuerschiff NORDERNEY 1 in See und besetzt die Position ELBE 1. Reserve-Feuerschiffe wurden für bestimmte Stationen vorgehalten, für die sie ständig ausgerüstet waren, auch bezüglich ihrer Funk – und Signalanlagen. Schwieriger war damals wohl die unmittelbare personelle Besetzung wie der Ersatz an Funkern. Bedienstete des Seewasserstraßenamtes in Cuxhaven, die vorher auf Feuerschiffen oder Lotsenschiffen mit geringeren Aufgaben betraut waren, “schulten” in Abendkursen auf die lukrativere Tätigkeit eines Funkers um und schlossen, zusammen mit Schiffsfunkern aus der Handelsmarine, diese Lücke.

Die 1906 bei der AG Weser, Bremen, gebaute NORDERNEY, war damals ausgerüstet mit einer winzigen Dampfmaschine. Sie hat bis zum 7. November 1948 auf der Station ELBE 1 gelegen. (Im Zweiten Weltkrieg 1939 – 45 als Kriegsfeuerschiff H auf der Station von ELBE 2 ).

Der Untergang des Feuerschiffes BÜRGERMEISTER O`SWALD 1 bleibt nicht ohne Folgen. Schon bald danach beginnen die Entwurfsarbeiten für ein Ersatzschiff, und zwar eines der nächsten Feuerschiffsgeneration. Diese Schiffe mussten aufgrund der gestiegenen Anforderungen und der Vervollkommnung der technische Einrichtungen größer werden. Vor allem aber wirklich kentersicher und damit unsinkbar. An der zweijährigen Planungsphase war die Schiffsbauversuchsanstalt Hamburg maßgeblich beteiligt. Das Schiff erhält dort entwickelte Stabilitätstanks, die zusammen mit im Doppelboden angeordneten Trimm – und Ballasttanks für weitgehende Stabilität mit geringen Kränkungswinkeln bei gleichbleibenden Gewicht (Wasserverdrängung) sorgen. Bei schwerem Seegang konnten alle Schotten und ins Freie führende Türen wasserdicht verschlossen und dieser Zustand auf der Brücke mittels einer Überwachungsanlage kontrolliert werden. Durch einen Betriebsgang im Inneren der Aufbauten sind alle wichtigen Räume bei schwerem Wetter für die Besatzung von vorn bis achtern begehbar. Theoretisch hätte das Schiff im schweren Seegang durchkentern können. Zum Slippen der Ankerkette im Notfall musste kein Besatzungsmitglied zum Ankerspill unter der Back geschickt werden. Die Kette konnte von der Brücke aus mittels eines Sliphakens abgeworfen werden. Die Maschinenanlage bestand bei der Indienststellung aus einem 500 PS starken MAN Dieselmotor als Fahrmotor, einem Vierzylinder Dieselmotor mit 50 PS Leistung gekoppelt mit einem Gleichstrom-Dynamo von 30 PS Leistung und einem Hilfskompressor von 15 cbm/h bei einem Enddruck von 30 atü. Den elektrischen Strom für den Betrieb des Luftschall- und Unterwasserschallsenders und zum Laden der damals noch erforderlichen Batterien lieferten zwei Zweizylinder – Dieselmotoren von je 25 PS Leistung. Den Strom für den Betrieb des Leuchtfeuers, für Raumbeleuchtung, Funkeinrichtungen und Funkfeuer sowie für die Kühlanlage lieferten zwei Zweizylinder-Viertakt Dieselmotoren von je 9,5 PS Leistung, je gekoppelt mit einen Dynamo von 5 kW Leistung.

Für den Funkverkehr war das Schiff bei der Indienststellung mit folgenden Geräten ausgerüstet: Eine Sendeanlage Telefunken S 317 H mit einem fremdgesteuerten Röhrensender für drahtlose Telegraphie sowie Telefonie bei einem stetig veränderbaren Wellenbereich von 100 bis 800 m, einem Allwellen – Empfänger Telefunken E 381 H mit einem veränderbaren Wellenbereich von 15 bis 20.000 m. Außerdem einen vom Verkehrsender unabhängigen, auf die Welle 600 m abgestimmten Tonfunksender von 1,5 kW als Notsender. Diese Anlagen wurden von der DEBEG, Berlin geliefert und eingebaut. Für den Dienst bei Nebel bekam ELBE 1 einen modernen quarzgesteuerten Funkfeuersender. Später kam ein Funkbeschickungssender hinzu, den Schiffe zum Einstellen ihrer Funkortungsanlagen kostenpflichtig über Funk anfordern konnten. Zum Abwickeln des Funkverkehrs auf Mittelwelle, Grenzwelle und Ultrakurzwelle war künftig die Anschaffung und der Einbau weiterer moderner Geräte erforderlich.

Bei der Indienststellung 1948 standen im Seetörn für die durchgehende Besetzung der Funkstation drei Funker zur Verfügung, die sich nach einer Wache von vier Stunden Dauer nach Dienstplan ablösten. Zwei weitere Funker befanden sich im Freitörn an Land. Als Angestellte unterlagen die Funker – ebenso wie die Wachmaschinisten im Gegensatz zu den Lohnempfängern ( z. B. Matrosen und Motorenwärter, Elektriker, Koch und Zimmermann) anderen Arbeitszeiten und hatten Anspruch auf einen bestimmten Jahresurlaub. Funktechnisch gesehen war das Schiff gleichgestellt wie eine Küstenfunkstelle mit einer Hörbereitschaft von 24 Stunden mit getrennten Empfängern auf folgenden Frequenzen: Notfunkfrequenz Mittelwelle 500 KHz und 474 KHz, Grenzwelle 2182 KHz, Behördenfunk 1665 KHz, Internationale Notfrequenz 1650 KHz und UKW Kanal 16.

Aufgaben:

  • Weiterleiten der auf der Brücke registrierten Schiffspassagen via Elbe-Weser Radio zum Schiffsmeldedienst Cuxhaven/Hamburg.
  • Aktivieren des Funkbeschickungssenders nach Aufforderung.
  • Verschlüsseln und Weitergabe der Wetterbeobachtungen allle 4 Stunden
  • Ggf. Abgabe von Eisberichten und Nebelnachrichten an ELBE-WESER-RADIO, später NORDDEICH-Radio
  • Wartung der funktechnischen und sonstigen elektronischen Anlagen gemeinsam mit den Schiffselektrikern.
  • Zusammenarbeit mit der seemännischen Besatzung beim Signaldienst, dem Messen hydrologischer und meteorologischer Werte, Einsatz der Nebelsignale und des Leuchtfeuers.
  • Alle diese Einrichtungen bedürfen einer Schiffstechnik von zuvor nicht gekannten Ausmaßen und intensiver Wartung durch die Besatzung.

Der Einbau von weiteren technischen Verbesserungen wie Kreiselkompass, Radargeräten, des DECCA-Ortungsgerätes, des Nuklearstrahlungsmessgerätes. der Rudermaschine, die Umstellung des Kombüsenherdes von Kohle auf Strom usw. erforderte ständige Investitionen und Innovation. Außerdem kam es im Laufe der Jahre zu baulichen, technischen und personellen Veränderungen am Schiff und der Besatzung (z. B. infolge von Havarien oder veränderter Vorschriften bei den Auflagen des GL und der SeeBG sowie tariflichen Veränderungen der Arbeitszeiten und der Besatzungsstärke).

Ein Vergleich mit der seinerzeitigen Vorhaltung von Brieftauben auf Feuerschiffen erübrigt sich. Mit fortschreitendem Einsatz der Sattelitentechnik und des Funksprechverkehrs in der gesamten See- und Luftfahrt verringerten sich Aufgaben der Bordfunker zusehens. Am 01.09.1982 wurde die Funkentelegrafie auf Mittelwelle eingestellt und der Funksprechverkehr über UKW von der jeweiligen Brückenwache nach dem Erwerb von Seefunksprechzeugnissen in der bisherigen Form weitergeführt. Februar 2005

Quellen:

  • Stadtarchiv Cuxhaven, Hermann Borrmann “Daten zur Geschichte des Amtes Ritzebüttel und der Stadt Cuxhaven”
  • Archiv und Berichte der ehemaligen Elbe-Fuerschippslüüd.
  • Kurt Gerdau “ELBE 1 Feuerschiff der Stürme”, Köhler-Verlag.
  • Eigel Wiese ” Feuerschiffe” HEEL – Verlag
  • Uwe Wensauer: Funk,- Navigations und Ortungsanlegen auf dem Feuerschiff Bürgermeister O´Swald II
  • H. Lehmann “Internationaler Seefrundienst”
  • Planungsunterlagen WSA Cuxhaven und WSD Hamburg
  • Peter Seidenkranz “Technische Daten zum Feuerschiff ELBE 1”
  • Zeitzeugen Uwe Reiter u.a.